Hospitation Schulbesuch in Bayreuth

Nachdem Susanne aus dem Team Bildungsarbeit sich kurzentschlossen auf den Aufruf nach Zweitzeug*innen des ZWEITZEUGEN e.V. gemeldet hatte, durfte ich spontan bei einem Schulprojekt in einer neunten Klasse am Markgräfin-Wilhelmine Gymnasium in Bayreuth hospitieren. Lest hier, was sie dabei erlebt hat.

Die anfängliche Aufregung legte sich, als ich die Projektleiterin Ksenia traf, die mich gleich mit offenen Armen empfing. Nachdem wir uns und die neunte Klasse sich vorgestellt hatten, folgte ein Einstieg, bei welchem die Schüler*innen Zitate von Überlebenden auf Postkarten lesen konnten. Es war interessant zu beobachten, wie sie damit begonnen haben, das Thema Holocaust durch die verschiedenen Aussagen kennenzulernen. Auch als es darum ging, den Begriff HEIMATSUCHER (der ZWEITZEUGEN e.V. hieß bis 2020 HEIMATSUCHER e.V.) zu erklären, waren die Antworten der Schüler*innen klar: Sie selbst verbinden Heimat mit einem Gefühl von Geborgenheit, Freunden und Familien. Dass die Opfer der Schoah, von welchen die Zweitzeug*innen unseres Vereins berichten, genau auf der Suche nach einem solchen Ort waren und vielleicht heute noch sind, nahmen die Schüler*innen bewegt auf.

Danach durften die Schüler*innen selbst tätig werden und ihren ganz normalen Tagesablauf beschreiben. Damit begann eine rege Diskussion, wann man morgens aufsteht, was wer gerne isst und welche Hobbys in der Freizeit ausgeübt werden. Daraufhin wurde erklärt, dass den Juden und Jüdinnen in der Zeit unter dem NS-Regime immer mehr Rechte genommen wurden, da Gesetze gegen sie verordnet wurden. Nach und nach konnten die Schüler*innen zusehen, wie die Dinge, welche für sie alltäglich und selbstverständlich sind, von der Tagesordnung gestrichen wurden. So wurden die Ausgrenzung und Diskriminierung der Juden und Jüdinnen in der Gesellschaft sehr anschaulich dargestellt. Die Teilnehmer*innen waren schockiert und sehr an der Thematik Antisemitismus und Antijudaismus interessiert.

Eine Schultafel, auf der die Schüler und Schülerinnen ihren normalen Tagesablauf notiert haben.
Ein ganz normaler Tag.
Die Lebensgeschichten zweier Zeitzeugen liegen als Zeitstrahl im Klassenzimmer aus.
Lebensstationen.
Die Schüler und Schülerinnen haben den Zeitstrahl mit ihren eigenen Gedanken versehen.
Lebensstationen mit Schülerhinweisen.

Die Geschichten, welche Ksenia und Lily danach erzählten, haben sichtlich bewegt und die Jugendlichen sehr berührt. Anschaulich wurden jeweils anhand eines Zeitstrahls die Lebenswege von Eva Weyl und Dr. Leon Weintraub erzählt. Dabei hingen nicht nur die Schüler*innen den beiden Referentinnen an den Lippen, auch ich habe gespannt zugehört und war von den Schicksalen sehr betroffen. Die Eindrücke konnten anschließend von den Jugendlichen verarbeitet werden, indem sie für sich aufschreiben konnten, was ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist oder sie beeindruckt hat. Es waren die verschiedensten Dinge, die die Schüler*innen bewegten.

Besonders gefallen hat mir, dass die Schüler*innen die Geschichte eines zweiten Überlebenden anhand eines Heftes selbst herausarbeiten durften und ihren Mitschüler*innen diese darlegen konnten. So wurden sie selbst zu Zweitzeug*innen und konnten sich intensiv mit den beeindruckenden Leben von Tibi Ram und Hannah Pick beschäftigen.

Zuletzt wurde ein Video abgespielt, welches zeigt, wie die Zeitzeug*innen Briefe erhalten, die von den Schüler*innen an sie verfasst wurden. Mich persönlich hat das Video sehr bewegt und auch den Teilnehmer*innen ging es sehr nahe. Insbesondere Chava Wolfs Reaktion im Video, die gar nicht fassen kann, dass ihr solche Briefe geschrieben werden, ist sehr emotional und ich war den Tränen nahe. Dass die Schüler*innen des Markgräfin-Wilhemine Gynmasiums dann selbst die Möglichkeit bekamen, einen Brief an die Zeitzeug*innen zu verfassen, deren Geschichten sie gehört haben, stieß auf große Begeisterung. Beeindruckt habe ich beobachtet, wie die Jugendlichen sich Gedanken gemacht haben und einige Zeilen an die Überlebenden verfasst haben.

Insgesamt war ich sehr begeistert von der Erfahrung, die ich in Bayreuth machen konnte: Von den Referentinnen, aber auch von den Schüler*innen, da beide Seiten sehr reflektiert und interessiert, aber auch kritisch an die schwierige Thematik heran gingen.

Ich habe das Gefühl, dass die Jugendlichen nachhaltig beeindruckt wurden, sich weiterhin damit befassen und auch ihre Aufgabe als Zweitzeug*innen fortführen werden, indem sie die Geschichten weitergeben. Ich bin sehr froh, mich auf den Aufruf gemeldet zu haben, und bin sehr dankbar für die Möglichkeit, ein Teil des ZWEITZEUGEN e.V. werden zu dürfen und damit eine so wichtige Botschaft weiter verbreiten zu können. Die ambitionierten Zweitzeug*innen, die ich kennenlernen durfte, leisten einen großen Beitrag dazu, dass die Geschichten der Überlebenden nicht in Vergessenheit geraten.

Dieser Schulbesuch konnte realisiert werden durch die Unterstützung der Georg-von-Vollmar-Akademie. Vielen Dank!

Susanne aus dem Team Bildungsarbeit