Portrait von Elisheva Lehman, die milde den Betrachter anlächelt.

Elisheva Lehman

Elisheva Lehman war eine fröhliche kleine Kugel, so sagte sie selbst von sich. Eine Frau, die von einem Leben voller Liebe und schönen kleinen Momenten erzählte. Erst während der langen Gespräche zeichneten sich auch die Narben ab, die nach den Jahren unter holländischen Häuserböden und mit der andauernden Angst, entdeckt zu werden, zurückblieben.

Kurzbiografie

Elisheva (genannt Ellis) Lehman wurde 1924 in Scheveningen (Holland) geboren. Mit 17 Jahren hatte sie einen Freund namens Berni, den Ellis wenige Monate später verlassen musste, als in Holland die Verfolgung von Juden und Jüdinnen begann. Sie vereinbarten füreinander Tagebuch zu schreiben. Berni wurde im Januar 1944 in Auschwitz ermordet. Bis Mai 1945 blieb Ellis Familie in insgesamt 13 Orten versteckt. Nach der Befreiung lernte sie ihren späteren Ehemann Elmar kennen, mit dem sie bis zu seinem Tod im Jahr 2008 zusammen blieb. Gemeinsam gingen sie 1945 nach Israel, wo Ellis als Musiklehrerin arbeitete. Zufälligerweise am Tag ihrer Hochzeit erhielt Ellis ein Päckchen, das das letzte Tagebuch von Berni enthielt. Erst 60 Jahre später fand sie die Kraft, es zu lesen. Gemeinsam mit ihrer Tochter entstand auf dieser Grundlage ein Buch über ihre kurze Liebe. Zuletzt lebte Ellis in einem Altenheim, wo sie voller Freude musizierte.

Elisheva Lehman ist im Januar 2021 verstorben, wir vermissen sie sehr. Lies hier ihren Nachruf.

Elisheva Lehmans Geschichte gibt es als Digital Storytelling auf unserer Lernplattform. Wir freuen uns, wenn Du sie Dir durchliest & zu Elishevas Zweitzeug*in wirst.

Elishevas Geschichte kennenlernen

»Ich hab schon vor mir gesehen, wie ein deutscher Soldat in der Steppe von Russland den Krieg gewinnt auf meinem Fahrrad.«

Elisheva Lehman

Ein Bild zum Weiterleben

Dann war es Zeit und wir rissen uns von dem Vergangenen los. Eine Etage tiefer warteten Bewohner*innen, denen es körperlich oder psychisch sehr schlecht ging, vorfreudig auf Ellis. Sie spielte ihnen einmal in der Woche etwas auf dem Klavier vor und teilte so etwas von ihrer Lebensfreude; Melodien von früher. Immer hat die Musik Elisheva begleitet. Sie gab ihr Kraft und Mut. Wir sahen zu, wie Ellis laut singend Kraft und Freude versprühte und fühlten uns mit einem mal fröhlich. Wir konnten sogar ein paar Melodien mitsummen: »Muss i denn, muss i denn zum Städele hinaus und Du mein Schatz bleibst hier…«

Ellis am Klavier, die die Menschen um sie herum fröhlich machte – dieses Bild bleibt uns im Kopf und es wird zum Kommentarbild unseres Portraits.

Als es Zeit war, Abschied zu nehmen, gingen wir als Freunde auseinander.

Auch wenn viele der Begegnungen in Israel nur ein paar Stunden dauerten, haben wir jeden Einzelnen und jede Einzelne wie Vertraute in unser Herz geschlossen. Denn Gespräche von einer solchen Intensität und Offenheit bleiben nicht an der Oberfläche.

Unsere Begegnung

Im Parentshome Moses wurde Elisheva Lehman von allen gegrüßt. Sowohl Bewohner*innen wie Angestellte mochten die fröhliche, kleine Dame. Man kann es ihnen nicht verdenken. Auf typisch ungezwungene, niederländische Art rufte sie: »Komm setz dich, Schätzchen!« und schon redeten wir über das Jungsein, die Liebe und das Meer.

Elisheva, auch Ellis genannt, hat viel geliebt in ihrem Leben. Sie sagte, sie habe Glück gehabt, dass sie zwei Lieben haben durfte. Denn viele Menschen erleben höchstens eine wirkliche Liebe. Wenn Ellis von Elmar, ihrem verstorbenen Ehemann, erzählte, dann strahlte sie, als habe es nichts Schlechtes in ihrem Leben gegeben. Auch ihr ganzes Zimmer war vollgestellt mit kleinen Zeugnissen der Liebe in ihrem Leben: Unzählige Bilder ihrer Familie standen auf Tischen und Schränken, kleine Kunstwerke ihrer Enkel zierten die Tür und Selbstgebasteltes wie Gesammeltes erinnerte sie an Menschen und Erlebnisse. Ihr Rummel, wie sie ihre wilde Sammlung liebevoll nannte, gab uns immer wieder Anlass zu kleinen Abschweifungen. Es machte Spaß, ihr zuzuhören.

Dennoch bekamen wir immer wieder kleine Ahnungen von der schlimmen Zeit ihrer Vergangenheit, die in ihrer Gegenwart nicht vergessen waren. Da war die Angst, wenn Nachts ein Auto auf der Straße hielt und das verständnislose Kopfschütteln über den weiterhin präsenten Antisemitismus. Und da war Berni, ihre erste große Liebe. Sie wollten nach dem Krieg heiraten, da waren sie sich ganz sicher. An ihrer Parkbank hatten sie sich verabredet, doch er ist nicht zurück gekommen. Obwohl Ellis sich noch einmal verlieben konnte, hat sie sich Berni gegenüber ein Leben lang schuldig gefühlt.

Erst über 60 Jahre nach dem Krieg konnte sie diesen Verlust zusammen mit ihrer Tochter aufarbeiten. Sie zeigte uns die Tagebücher, die Berni während des Krieges für sie schrieb. Wir lasen die Zeilen voller Liebe und Hoffnung und wussten um Bernis Tod in Auschwitz. Es schnürte uns die Kehle zu – ein Gefühl, das durch keine fröhliche Geschichte getröstet werden kann.

Kennenlernen, Erinnern, Weitergeben

Elisheva Lehmans Geschichte

Das ganze Interview und alles zum Leben von Elisheva Lehman findest Du im Ausstellungskatalog. Wir durften die Zeitzeug*innen in ihrem Zuhause besuchen und zu ihrer persönlichen (Über)Lebensgeschichte befragen. Wir übernehmen damit einen Teil der Verantwortung, die Erlebnisse der Zeitzeug*innen ›Gegen das Vergessen‹ zu bewahren. Das gesamte Interview und alles rund um die Geschichten fassen wir unseren Magazinen zu jeder einzelnen Geschichte und einem Ausstellungskatalog mit zehn Interviews zusammen. 

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