Tamar Dreifuss

Wir treffen Tamar Dreifuss an einem Sonntagnachmittag, sie hat uns zu sich nach Hause eingeladen und begrüßt uns schon draußen. Als wir in ihr Haus kommen, sind wir umgeben von viel Grün, denn Tamar liebt Pflanzen über alles und die Wände hängen voll mit Fotos ihrer Familie, Auszeichnungen für ihr Engagement und mit Bildern.

 

Kurzbiografie

Tamar Dreifuss wurde im März 1938 in Vilnius in Litauen geboren. Zusammen mit ihren Eltern wurde sie 1940 von der sowjetischen Armee umquartiert. Im Jahr darauf zog Tamar zu einer ihr bis dahin unbekannten Tante und lebte für eineinhalb Jahre getrennt von ihren Eltern. Schließlich holte  ihre Mutter sie 1942 wieder zu sich, gemeinsam gingen sie ins Ghetto Wilna. Im Jahr 1943 wurde zuerst der Vater von den Nationalsozialist*innen deportiert und ermordert. Unter dem manipulativen Vorwand, den Männern folgen zu dürfen, wurden anschließend auch Frauen und Kinder zur Abreise bewegt. Nach mehreren gescheiterten Fluchtversuchen während der Deportation wurden Tamar und ihre Mutter 1943 im Durchgangslager Tauroggen untergebracht. Durch einen Trick konnten sie entkommen. Nach der Flucht 1945 gelang es ihnen, in Litauen zu überleben, indem die Mutter auf verschiedenen Bauernhöfen arbeitete. Im selben Jahr noch suchten die beiden Tamars Tante in ihrem Haus in Wilna auf. Ihr Vater und die meisten der anderen Männer kehrten nicht zurück. Nachdem sie in Litauen keine feste Bleibe finden konnte, lebte Tamar mit ihrer Mutter, ihrer Tante und ihrem Cousin drei Jahre im DP (Displaced Persons) Lager Landsberg in Bayern. 1948 entschieden sie sich schließlich nach Israel auszuwandern. Hier verlebte Tamar ihre Jugend und lernte ihren Mann kennen. 1959 heirateten sie in Deutschland, wo sie seither leben. 1964 bekam Tamar einen Sohn und 1969 eine Tochter. Ihr Leben lang ging Tamar erfolglos der Frage nach, wie ihr Vater gestorben ist.

»Und deswegen, wenn ich erzähle meine Geschichte, das ist nicht nur Erinnerung, es ist auch zu zeigen, dass waren mutige Menschen dabei. Dass nicht alle sind so hilflos zu dem Schlachthof gegangen, waren viele, die haben sich gewehrt.«

Tamars Geschichte in unserem Podcast »Geschichten, die bleiben«

Hörtipp: Folge #6 Theresa & Tamar: Die Geschichte einer wundersamen Rettung. Tauche ein in Tamars Leben und lass Dir von Theresa ihre ganze Lebensgeschichte erzählen.

Ein Bild zum Weiterleben

Die gemeinsame Überlebensgeschichte hat Jetta Schapiro-Rosenzweig, Tamars Mutter, in ihrer Autobiografie  ›Auch wir waren in Ponar - Bekenntnisse einer Wilnaerin‹ in den 1970er Jahren veröffentlicht. Es wurde ausgezeichnet, geriet dann aber in Vergessenheit. Nach dem Tod der Mutter übersetzte Tamar das Buch aus dem Jiddischen ins Deutsche und fand zufällig einen kleinen Verlag in der Eifel, der es mittlerweile schon in der 3. Auflage veröffentlicht hat. Seitdem ist Tamar an Schulen unterwegs und erzählt die Geschichte von sich und ihrer Familie. Sie betont ausdrücklich, dass dies ohne das Buch ihrer Mutter undenkbar gewesen wäre.

Unsere Begegnung

Sie erzählt uns, dass sie sich extra schick gemacht hat, weil wir einen Fotografen dabei haben. Sofort berichtet sie uns dann von ihren Sorgen über ein Kölner Mahnmal am Hauptbahnhof, das an eine Stelle verlegt wurde, wo es schnell übersehen wird: »Da muss man doch was unternehmen!«

So erleben wir sie auch im Gespräch: engagiert, tatkräftig, sehr bestimmt und humorvoll; eine Person, die ihr Leben selbst in die Hand nimmt. Sehr einfühlsam und mit der ein oder anderen Pause teilt sie ihre Geschichte, die ganz eng mit der ihrer Mutter Jetta Schapiro-Rosenzweig verknüpft ist.

Tamar Dreifuss erzählt uns im Anschluss an unser Interview von den Projekten, an denen sie in nächster Zeit beteiligt ist und wir merken auch hier wieder, wie wichtig es ihr ist, sich zu engagieren und vor allem junge Menschen zu erreichen.

Uns hat sie mit ihrer sympathischen offenen Art auf jeden Fall erreicht.

 

Kennenlernen, Erinnern, Weitergeben

Tamar Dreifuss' ganze Geschichte für Zuhause

Das ganze Interview und alles zum Leben von Tamar Dreifuss findest Du im Interview-Magazin. Wir durften die Zeitzeugin in ihrem Zuhause besuchen und zu ihrer persönlichen (Über)Lebensgeschichte befragen. Wir übernehmen damit einen Teil der Verantwortung, die Erlebnisse der Zeitzeug*innen »Gegen das Vergessen« zu bewahren. Das gesamte Interview und alles rund um die Geschichten fassen wir unseren Magazinen zu jeder einzelnen Geschichte zusammen. 

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