Zeitzeugin Schwester Johanna gestorben

Am 23. Dezember 2019 ist die Ordensschwester und Zeitzeugin Schwester Johanna verstorben. Wir erinnern uns an ihre (Über)Lebensgeschichte und ihre inspirierende Art.

Schwester Johannas Geschichte

»Unser Rüthchen bleibt ein Jüdchen«, dieser Satz prägte die Kindheit von Schwester Johanna, geborene Ruth Eichmann. Als Tochter einer jüdischen Mutter und eines katholischen Vaters wuchs Schwester Johanna glücklich mit beiden Religionen auf.

Sie führte ein traditionelles jüdisches und katholisches Leben. Der Besuch der Synagoge stellte für die Familie kein Problem zum Besuch des katholischen Kindergartens dar.

Die Weitsicht der im Sterben liegenden jüdischen Oma, die zum Schutz ihrer Enkelin 1933 ihre Taufe veranlasste, rettete Schwester Johanna durch die nationalsozialistische Diktatur.

Aus Überzeugung und aufgrund der positiven Erfahrungen im Kloster trat sie später selbst dem Orden der Ursulinen bei, ohne dabei den Stolz auf ihre jüdische Herkunft zu verlieren.

Unsere Erinnerung an Schwester Johanna

Die Nachricht über den Tod von Schwester Johanna am 23. Dezember 2019 hat mich sehr berührt. Ich war von den Gesprächen mit ihr stets tief beeindruckt und werde diese immer in meinem Herzen tragen. Sie hat mir viel an Gedanken und Ansporn mitgegeben, wofür ich ihr sehr, sehr dankbar bin. Ich werde die Gespräche mit Schwester Johanna nie vergessen, in denen sie so viel Kraft, Mut, Weitsicht und Nächstenliebe verkörperte. Besonders beeindruckt hat es mich, wie mutig Schwester Johanna immer war. Es schien als hätte sie nie Angst gehabt anzuecken, stattdessen war es ihr immer ein großes Anliegen, für ihre Überzeugungen kraftvoll einzutreten.

Sie lebte in Bescheidenheit und ihr Handeln richtete sie dabei stets an dem Wohl ihrer Mitmenschen aus. Ich bewundere, wie sie daran mitgewirkt hat das Jüdische Museum Dorsten aufzubauen und dieses später zu leiten. Auch war sie eine mitreißende Pädagogin – als ehemalige Schulleiterin des Gymnasiums St. Ursula erzählte sie uns von ihrer schulischen Arbeit bei der sie sich unter anderem aktiv für eine lebendige Erinnerungskultur einsetzte und das in Jahren, in denen dies die Meisten nicht hören und umsetzen wollten. Sie verkörperte außerdem, Kindern und Jugendlichen auf Augenhöhe zu begegnen, sie einzubinden, sie in ihrer Entfaltung zu unterstützen und ihnen sehr viel zuzutrauen. Ich werde nicht vergessen, wie sehr uns ihre pädagogischen Ausführungen mitgerissen und uns Mut und Ansporn für unsere Arbeit gegeben haben.

Auf meiner Visitenkarte habe ich ein Zitat aus unserem Interview abgedruckt, in der Schwester Johanna aus der Bibel zitierte: »Prüft alles und was gut ist, behaltet.« Diese Worte sind es, die für mich auf den Punkt bringen, was ich bei Kindern und Jugendlichen fördern möchte, mit denen wir arbeiten. Sie sollen zu mündigen Menschen heranwachsen, die hinterfragen, prüfen, nicht stumm folgen, sondern sich ein eigenes Bild machen und nach dem Guten streben und handeln.

Dies und die vielen, vielen weiteren Gedanken aus den Dialogen mit Schwester Johanna, ihr vorbildliches Engagement und nicht zuletzt natürlich ihre bewegende Überlebensgeschichte des Holocausts werden mich immer begleiten. Wir, ZWEITZEUGEN e.V., werden auch in Zukunft diese stets an Kinder und Jugendliche weitertragen und daran erinnern.
Wenn wir nur einen Funken des Muts, der Umsetzungskraft und der Nächstenliebe von Schwester Johanna weitergeben können, dann haben wir viel erreicht. Danke Schwester Johanna, liebe Ruth Eichmann, für dein Sein!

Deine Ruth-Anne Damm im Namen von ZWEITZEUGEN e.V.