10 Klassen, drei Schulen, vier Geschichten, 150 Briefe – Drei Tage im verschneiten Laupheim
Kennengelernt haben wir Birgit bereits im Herbst 2017 bei einem Vernetzungstreffen in Köln. Dort durften wir die Arbeit von ZWEITZEUGEN e.V. in einem Workshop vorstellen. Birgit ist Schulsozialarbeiterin in Laupheim und organisierte gleich ein Großprojekt mit 10 Klassen und einem Elternabend. Wir waren an einer Grundschule, einer Förderschule und einer Gemeinschaftsschule in vier vierten Klassen, einer fünften, einer sechsten, einer siebten, einer achten und einer zehnten Klasse.
Wir haben die Geschichten von Rolf, Elisheva, Siegmund und Djordje erzählt. Jedes Projekt war besonders. Gemeinsam war aber allen Projekten eine beeindruckende Empathie der Schüler*innen, die deutlich zeigte, dass das Motto der Schule »Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage« hier wirklich gelebt wird. Schön für uns war auch, dass durch unser Projekt neue Ideen angestoßen werden konnten. So wird beispielsweise eine Lehrerin den Wunsch der Schüler*innen einer vierten Jahrgangsstufe ernstnehmen, nun das Tagebuch der Anne Frank zu lesen, nachdem wir darüber in einer Klasse gesprochen hatten.
In allen Klassen wurden Briefe geschrieben, die zeigten, wie stark die Geschichten die Schüler*innen berührten.
Mattis, 4. Klasse
»Liebe Ellisheva, […] Viele Kinder konnten es nicht glauben, was Sie alles Schlimmes erlebt hatten. Ich habe Sie bewundert, wie Sie in brenzligen Situationen einen kühlen Kopf bewahrt haben.«
Nick, 6. Klasse
»Lieber Rolf, Ich bin von deiner Geschichte sehr gerührt. Und ich frage mich, wie Menschen so grausam sein können! Ich finde es so schade, dass du diese Zeit miterleben musstest!«
Fatma, 11 Jahre
»Liebe Ellisheva Lehmann, […] Ich habe dein Erlebnis gehört und wurde im Herzen berührt. Das war sicher sehr schlimm. Ich hoffe, dass Sie ihr Erlebnis bald vergessen. Ich hoffe, Sie werden sehr lange leben.«
Wir freuen uns, dass auch der Sohn von Siegmund Briefe bekommen wird und so sieht, dass die Geschichte seines Vaters durch neue Zweitzeug*innen weitergegeben wird.
Allan, 7. Klasse
»Lieber Michael, ich bin sehr stolz auf dich, dass du so einen mutigen Vater hattest.«
Melanie, 13 Jahre
»Lieber Michael und liebe Daniela […] Ich habe wirklich sehr gerne zugehört und finde es toll, dass es noch Leute gibt, die so etwas noch erzählen können. Dass wir auch erfahren, wie es früher war und es die späteren Menschen auch wissen können. Und viele erfahren, wie es war.«
Eine zehnte Klasse hat uns ganz besonders überrascht. Mit nur wenigen Schüler*innen entdeckten wir eine neue Lebensgeschichte, die wir zum ersten Mal erzählten: die von Djordje Alpar, einem jüdischen Partisanenkämpfer. Hier diskutierten wir spannend über moralische Fragen über Courage und den Mut, gegen Ungerechtigkeiten aufzubegehren, aber auch über die Frage nach Schuld und das verzwickte Verhältnis von Opfer- und Täternarrative. Der Lehrer Herr Mittelbach hat zu Djordje auch einen Artikel auf seinem Blog verfasst und auch einen Brief an den Zeitzeugen geschrieben.
Tom Mittelbach, Lehrer
»Lieber Djordje, die allererste Forderung an Erziehung ist es, dass Auschwitz nie wieder sei, sagte Adorno. Die Erinnerung wach zu halten und die großen Fragen der Menschheit zu beantworten »Was ist Gut? Was ist Böse?« ist ein Auftrag an Schule. […] Dazu gehört es an Menschen wie dich zu erinnern. Ich persönlich empfinde tiefen Respekt vor dir und bedanke mich für deinen Widerstand und deinen Mut.«
Yasin, 10. Klasse
»Lieber Djordje, […] Mich hat es fasziniert, dass Sie mit 16 Jahren ihre Eltern verlassen haben, wie viel Mut Sie wohl haben. […] Ich mag und respektiere Ihre Geschichte, die sie erlebt haben, ich wünsche Ihnen noch eine wundervolle Zeit.«
Die vielen unterschiedlichen Schulklassen und engagierten Lehrer*innen, die Gespräche in den Pausen und beim gemeinsamen Mittagessen brachten immer wieder neue Eindrücke mit sich, neue Gedanken und Anregungen.
Vor allem sind wir glücklich darüber Djordje Alpar ganz bald seine ersten Briefe von seinen neuen Zweitzeug*innen überreichen zu dürfen.
Birgit hat aber nicht nur das Schulprojekt perfekt organisiert, sondern auch dafür gesorgt, dass wir bei einer exklusiven Privatführung durch das Museum zur Geschichte von Juden und Christen gelernt haben, was Hollywood und Tootsie Rolls mit der Stadt Laupheim zu tun haben.
Wir fuhren erschöpft, aber mit 146 Briefen von Schüler*innen und sehr vielen neuen Eindrücken nach Hause. Wir bedanken uns noch einmal herzlich bei allen, die dieses Projekt zu einem ganz besonderen gemacht haben!
Danke Laupheim, wir kommen gerne wieder!
Autorinnen: Christine Ewald und Ksenia Eroshina
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