Never Forget: Abschlussveranstaltung
Im Rahmen der Kooperation mit dem Museum of Jewish Heritage und dem Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen hatten zuvor Jugendliche aus Deutschland und den USA online mit den Zeitzeug*innen Lisa Baer, Norbert Strauss, Dr. Leon Weintraub und Eva Weyl gesprochen, kreative Produkte zu den Biografien der Überlebenden entwickelt und sich in digitalen Workshopformaten über ihre Rolle als internationale Zweitzeug*innen ausgetauscht. Die Botschaft des Projekts sowie des Abends war klar: Diskriminierung macht nicht an Ländergrenzen halt, und wir müssen uns international mit Themen wie Antisemitismus und unserer gemeinsamen Geschichte auseinandersetzen.
Den Auftakt der Veranstaltung machte Ina Brandes, Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, die das Kooperationsprojekt mit den USA initiiert hat. In ihrer Begrüßungsrede dankte sie den beteiligten Zeitzeug*innen für ihre Zeit und Energie und betonte die gesellschaftliche Notwendigkeit einer aktiven Erinnerungskultur: »Wir sollten jede Gelegenheit nutzen, von den Zeitzeugen selbst aus erster Hand zu erfahren, was sie erlebt und durchlitten haben. Ihre Geschichten und Erfahrungen machen die Gräueltaten des Nationalsozialismus greifbar. Mit Zeitzeugen des Holocaust zu sprechen und ihre Berichte weiterzutragen, ist ein wichtiger Beitrag dafür, dass sich Geschichte nicht wiederholt!«. Auch die Leiterin der Alten Synagoge, Dr. Diana Matut, zeigte sich berührt vom Engagement der Jugendlichen und verdeutlichte: »Ich freue mich, dass Sie zu denen gehören, die sich hinsetzen und zuhören und das Zugehörte in etwas verwandeln«.
Im Mittelpunkt der Veranstaltung standen die Ergebnisse der Jugendlichen, die während des Projekts entstanden sind. Sie sind auf der Website »Wir sind Zweitzeug*innen/ We are Second Witnesses«, die im Rahmen der Veranstaltung gelaunched wurde, online einsehbar.
Wie haben die Jugendlichen die Geschichten weitergetragen?
In Deutschland haben Schüler*innen der Elsa Brändström Realschule Essen einen Stop-Motion-Film zur Geschichte von Lisa Baer gedreht, in der Wolfhelmschule Olfen entstand ein Graphic Recording mit Audiobeiträgen zur Biographie von Norbert Strauss. Beide Zeitzeug*innen wurden während der Zeit des Nationalsozialismus als Juden*Jüdinnen in Deutschland verfolgt und konnten durch die Flucht in die USA überleben, wo sie bis heute leben. Beide waren während der Abschlussveranstaltung online zugeschaltet, und ihre Reaktionen auf die Produkte der Jugendlichen gehörten zu den ganz besonderen Momenten des Abends: Sie zeigten sich sichtlich berührt und dankten den Jugendlichen für ihr Engagement. Und auch die Schüler*innen kommentierten, wie bereichernd die Projektteilnahme für sie war. Philipp von der Wolfhelmschule Olfen erklärte zum Beispiel: »Es war besonders, mit einem Zeitzeugen aus dieser Zeit zu sprechen. Das ist nichts, was man alltäglich machen kann [...]. Und das ist nochmal ganz anders, wenn man das von einer Person hört, die damals wirklich betroffen war.«
»Man kann kaum in Worte fassen, um zu würdigen, was ihr macht [...]. Macht weiter so, denn meine Zeit ist begrenzt.«
Die Beiträge aus den USA waren ebenso kreativ und berührend: So haben Schüler*innen der Brookfield High School Wisconsin persönliche Poster- und Powerpoint-Präsentationen über das Leben von Dr. Leon Weintraub entworfen, der als jüdischer Junge im besetzten Polen verfolgt wurde, vier Konzentrationslager überlebte und heute in Schweden wohnt. Auch er nahm online an der Veranstaltung teil und betonte, dass er seine Geschichte mit bald 99 Jahren nicht mehr lange selbst erzählen könne. Er zeigte sich sehr beeindruckt von den Schüler*innen und dankte allen, die seine Geschichte auch in Zukunft weitererzählen werden »Man kann kaum in Worte fassen, um zu würdigen, was ihr macht [...]. Macht weiter so, denn meine Zeit ist begrenzt.«
Zuletzt zeigten Schüler*innen der Terre Haute South Vigo High School Indiana, wie sie die Geschichte von Eva Weyl weitertragen werden, die als jüdisches Mädchen in den Niederlanden das Lager Westerbork überlebte und ebenso am Never-Forget-Projekt teilnahm. Die Gruppe malte, zeichnete und bastelte an einer Collage zu den verschiedenen Lebensabschnitten der Zeitzeugin und stellte die einzelnen Kapitel als Graphic Novel in der Schulbibliothek aus.
Es gehört zu den besonderen Highlights des Abends, dass Zeitzeugin Eva Weyl vor Ort an der Veranstaltung in Essen teilnehmen und dem Publikum direkt ihre Gedanken schildern konnte. Sie dankte den Schüler*innen aus Indiana für die Graphic Novel und erinnerte an einen besonderen Spruch im Judentum: »Bei uns sagt man, wer einen Menschen rettet, der rettet die ganze Welt. [...] Also lasst eure Herzen sprechen! Zeigt, dass ihr Menschen seid.«
Es war ein beeindruckender Abend mit beeindruckenden Menschen, der erneut unterstrichen hat, wie wichtig gemeinsame Erinnerung in einem globalen Kontext ist. Die Veranstaltung hat Mut und Hoffnung gemacht, dass – ganz im Sinne des Projekttitels – die Geschichten von Holocaustüberlebenden niemals vergessen werden.
Die Erkenntnisse des Projekts werden in den nächsten Monaten an Pädagog*innen weitergetragen. Für sie und alle weiteren Interessierten ist außerdem ein Themenabend zum Thema ›Flucht und Exil‹ in Planung.
Wir danken allen Beteiligten, insbesondere den Zeitzeug*innen, den Schulklassen und den engagierten Lehrkräften für die Teilnahme an dem Projekt. Außerdem danken wir dem Ministerium für Wissenschaft und Kultur des Landes Nordrhein-Westfalen für die Förderung und dem Museum of Jewish Heritage sowie der Alten Synagoge Essen für die gelungene Zusammenarbeit.