Stimmen von Zeitzeug*innen zum Hamas-Terror
Dr. Leon Weintraub überlebte während der NS-Zeit vier Konzentrationslager. Heute lebt er in Stockholm. Er hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, seine Geschichte mit der Welt zu teilen, um das Geschehene nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Am 7. Oktober erlebte Leon den Terrorangriff der Hamas in Tel Aviv. Er blickt mit Trauer und Empörung auf die aktuelle Situation, aber auch mit Optimismus in die Zukunft.
»Mich überkam ein innerer Frost. [...] Wenn ich nur daran denke, geht mir ein kalter Schauer über meinen Rücken. [...] Eine große Trauer, dass so etwas wieder vorkommen kann, [dass die Menschheit nichts gelernt hat. Für mich gibt es nichts Heiligeres, wenn es überhaupt etwas Heiliges gibt, als das Menschenleben. Und in meiner Auffassung: es gibt nichts, keine Idee, keine Religion, die entschuldigen kann, wenn sie Menschenleben auslöscht.]«
“Ich bin unheilbar optimistisch, weil ich an dieses Gewebe (zeigt auf Kopf) - an den gesunden Menschenverstand - glaube und tief überzeugt bin, dass das schließlich endlich, irgendwann mal siegen wird, Überhand nehmen wird. Und das Radikale, Fanatische, Einseitige, Verblendete doch langsam, nicht mehr Teil dessen sein werden”
Margot Friedländer wurde 1921 in eine deutsche, jüdische Familie geboren und erlebte die Pogromnacht 1938 in Berlin mit. Ihr jüngerer Bruder und ihre Mutter wurden im KZ Auschwitz ermordet. Margot selbst tauchte in Berlin unter, wurde jedoch 1944 von ›Greifern‹ gefasst und kam in das KZ Theresienstadt. Nach dem Krieg wanderte sie mit ihrem Ehemann in die USA aus. Seit 2010 lebt sie wieder in Berlin, wo sie ihre Lebensgeschichte u.a. an Schulen erzählt.
»Ich konnte es nicht glauben, dass so etwas nach dem Holocaust noch einmal geschieht. Diese Bitterkeit, die darin zum Ausdruck kommt. Dieser Hass. Ich fürchte, hier sehen wir, wie schnell Menschen beeinflusst werden können.«
»So hat es damals auch angefangen. [...] Ich bin nicht überrascht. Nur enttäuscht und traurig. Ich hasse nicht. Aber ich bin traurig. Was gewesen ist, können wir nicht ändern. Ich bin zurückgekommen, um mit euch zu sprechen, euch die Hand zu reichen. [...] Was war, können wir wie gesagt nicht ändern. Es darf nur nie wieder geschehen. Es ist in eurer Hand, dass ihr vorsichtig seid.«
»Ich appelliere immer wieder an die Menschlichkeit.« Sie könne sich »nicht vorstellen, warum sie so hassen«: »Hass ist etwas Schreckliches. Er bringt nichts, er gibt euch nichts.«
Tamar Dreifuss war drei Jahre alt, als die Nazis in ihre Heimat Litauen einmarschierten. Die jüdische Familie wurde gezwungen, ihre Wohnung zu verlassen.Tamars Großmutter wurde während der Massenerschießungen in Ponar von den Nationalsozialist*innen ermordet. Ihr Vater wurde deportiert und von den Nazis umgebracht. Tamar und ihrer Mutter gelang schließlich die Flucht aus dem Durchgangslager Tauroggen. Seit 1959 lebt Tamar in Deutschland und widmet ihr Leben dem Kampf gegen Antisemitismus. Bis heute geht sie noch in Schulen und spricht mit Kindern und Jugendlichen über ihre Lebensgeschichte. Zu ihrem Verhältnis zu den Wohnorten ihres Lebens sagt Tamar:
»Meine erste Heimat ist Vilnius, da bin ich geboren. Meine zweite Heimat ist Israel, dort habe ich eine glückliche Jugend verbracht. Deutschland ist meine Aufgabe.«
Den Terror der Hamas könne man mit dem Holocaust vergleichen, so Tamar. Sie verweist jedoch auf einen wichtigen Unterschied zur NS-Zeit:
»Damals [während der NS-Zeit] waren wir total ausgeliefert, wie ein Tier ohne Schutz, das von einer Ecke in die andere läuft. Heute beschützt man uns. Auch Deutschland will, dass Israel bleibt.«
Umso mehr nehmen wir die aktuelle Situation zum Anlass, weiter mit jungen Menschen darüber zu sprechen, was wir aus dem Holocaust und den Erfahrungen der Überlebenden lernen können und müssen! Als Zweitzeug*innen der Zeitzeug*innen und ihrer Geschichten sehen wir das als unsere Aufgabe.