Erna de Vries

Ein geradezu unbehagliches Gefühl durchdrang mich, nun nicht mehr durch das aufwühlende, fremde Israel zu laufen, um unsere nächste Interviewpartnerin zu besuchen, sondern nach nur einer knappen Stunde Autofahrt in das verschlafene Lathen einzufahren. Plötzlich wurde die unmittelbare Nähe zum Schauplatz der Schoah spürbar.

 

Kurzbiografie

Erna de Vries kam am 21. Oktober 1923 in Kaiserslautern zur Welt. Sie war das einzige Kind von Jacob Korn und seiner Frau Jeanette und verlebte eine ungetrübte und schönen Kindheit. Doch im jungen Alter von 16 Jahren wurde sie zusammen mit ihrer Mutter nach Auschwitz deportiert. Sie überlebte die Grauen des Konzentrationslagers wie durch ein Wunder. In ihrem Leben besuchte Erna de Vries Schulen, um jungen Deutschen ihre Geschichte zu erzählen. Es war der Auftrag ihrer Mutter, den sie verfolgte: »Du wirst überleben, und dann wirst du erzählen, was man mit uns gemacht hat.«

Erna ist 2021 verstorben. Wir vermissen sie sehr.
Lies hier Ernas Nachruf.

Erna de Vries' Geschichte gibt es als Digital Storytelling auf unserer Lernplattform. Wir freuen uns, wenn Du sie Dir durchliest & zu Ernas Zweitzeug*in wirst.

Ernas Geschichte kennenlernen

Das Schweigen bringt die Menschen einander auch nicht näher. Ich finde man sollte versuchen, aufeinander zuzugehen und wenn man einen Menschen anguckt und das ist ein Deutscher oder ein Farbiger oder sonst noch was und das ist ein anständiger und guter Mensch. Was kann ich denn dagegen haben?

Ein Bild zum Weiterleben

Auf die Frage, was Erna am meisten geholfen hat, sich wieder ein Leben aufzubauen, sagte sie uns: Was mir am meisten geholfen hat, war mein Mann und die Hoffnung, dass es gut wird für uns. Mein Mann hatte noch mehr Lebensmut als ich.

Ernas Geschichte in unserem Podcast ›Geschichten, die bleiben‹

Hörtipp: Folge #11 Katharina & Erna: Eine Geschichte einer Lebensaufgabe. Tauche ein in Ernas Leben und lass Dir von Katharina ihre Lebensgeschichte erzählen.

Unsere Begegnung

Bestückt mit frischen Nussecken traten wir in ein gepflegtes Familienhaus einer tapferen Frau, die sich bewusst entschieden hatte, nach den grausamen Erlebnissen in mehreren deutschen KZs, in Deutschland zu bleiben.

Spontan war unser Treffen größer geworden, als wir es zunächst geplant hatten. Nicht nur wir hatten zwei Gäste mitgebracht, auch Erna hatte ihre Tochter und eine Enkelin aus Israel zu Besuch. So saßen wir mit drei Generationen um einen großen Tisch, stellten Fragen, lauschten und diskutierten zwischen den Kulturen und Generationen.

Erna selbst empfing uns mit offenen Armen, so dass wir keine Scheu haben, all die Fragen zu stellen, die uns interessieren. Tatsächlich, so sagte sie uns, werde sie eigentlich kaum von ihrer Umgebung auf ihre Vergangenheit angesprochen. Was schade sei, denn sie selbst habe nicht mehr die Kraft, auf fremde Menschen zuzugehen. Auf Einladungen hin besuchte sie besonders gerne Schulen, überhaupt habe sie fast noch nie eine Anfrage abgelehnt, nur ein Mal, als sie wirklich krank war.

Aus unserer Begegnung wissen wir nur zu gut, dass es Überwindung kostet, einer Überlebenden persönliche Fragen zu ihrer Vergangenheit zu stellen. Aber noch eindrücklicher haben wir erfahren, dass, wenn man sich traut diese Barriere zu überwinden, eine ganz besondere Begegnung entstehen kann.

Kennenlernen, Erinnern, Weitergeben

Erna de Vries ganze Geschichte für Zuhause

Das ganze Interview und alles zum Leben von Erna de Vries findest Du im Ausstellungskatalog. Wir durften die Zeitzeug*innen in ihrem Zuhause besuchen und zu ihrer persönlichen (Über)Lebensgeschichte befragen. Wir übernehmen damit einen Teil der Verantwortung, die Erlebnisse der Zeitzeug*innen »Gegen das Vergessen« zu bewahren. Das gesamte Interview und alles rund um die Geschichten fassen wir unseren Magazinen zu jeder einzelnen Geschichte und einem Ausstellungskatalog mit zehn Interviews zusammen. 

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