Auf einen Kaffee mit Ksenia Eroshina
Liebe Ksenia, was bewegt Dich bei den Schulbesuchen am meisten?
Ksenia Eroshina: Ich mag es mit jungen Leuten darüber in Austausch zu kommen, was das, was vor über 80 Jahren hier in Deutschland und anderswo auf der Welt geschah, mit uns heute hier und jetzt zu tun hat. Immer wieder entstehen dabei berührende Momente.
Wenn die Schüler*innen sich öffnen und merken, dass auch sie vor Ausgrenzungs- und Diskriminierungsmechanismen, sowohl in der »Opfer«- als auch und er »Täterrolle« nicht gewappnet, nicht »immun« sind, entstehen die inspirierendsten Momente. Dann wird jedem klar: Demokratie und ein friedvolles Miteinander sind keine Selbstverständlichkeit. Zivilcourage ist wie ein Muskel, den man trainieren muss! Je früher man damit anfängt, desto (selbst)bewusster wird man im Umgang mit Ungerechtigkeiten!
Was sind die persönlichen Schwerpunkte bei Deiner Arbeit?
Durch ZWEITZEUGEN e.V. habe ich ein Betätigungsfeld, was mich sehr glücklich macht. Ich arbeite mit Schüler*innen und kann sehr persönliche und berührende Geschichten von Überlebenden des Holocausts weitertragen und mache damit etwas, was mir sehr wichtig ist. Ich freue mich aber auch vor allem sehr darüber, dass ich durch den Minijob nun auch die Gelegenheit bekommen habe, neue Ehrenamtliche auf ihrem Weg in den Verein zu begleiten.
Jeden Tag aufs Neue merke ich, was man bewegen kann, wenn alle dasselbe Ziel eint: Mit einem emphatischen und persönlichen Zugang gegen jede Form von Fremdenfeindlichkeit und Populismus zu kämpfen!
Was ist für Dich das Wichtigste, das du den Schüler*innen vermitteln möchtest?
Es ist die Zuversicht und das Gefühl, dass jede*r Einzelne dafür verantwortlich aber auch befähigt ist, dass Ausgrenzung, Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit keinen Platz haben. Weder auf dem Schulhof, unter Freund*innen noch im Berufsleben oder in der Politik.
Ein besonders berührender Moment war zum Beispiel, als die Schüler in einem Schulprojekt gemeinsam beschlossen haben, auf dem Schulhof darauf zu achten, Wörter wie »Jude«, »Schwul«, »Opfer«, »Penner«, »Behindert« etc. nicht mehr als Schimpfwörter zu benutzen. Diesen »Vertrag«, den sie miteinander schlossen, haben sie gemeinsam ausgehandelt und diskutiert. Solche Momente machen Mut und bewegen mich.
Wie siehst Du die Zukunft des Vereins?
Für mich ist das die spannendste Frage und auch eine, der ich sehr optimistisch entgegensehe: Wie wird die zukünftige Erinnerung an die Schrecken der NS-Zeit aussehen? Ich glaube ZWEITZEUGEN e.V. hat einen sehr modernen und zukunftsorientierten Weg gefunden, die Geschichten der Zeitzeug*innen bewahren und sie authentisch weiterzutragen.
Wir als Zweitzeug*innen können die Begegnungen mit Menschen, die diese Zeit durchlebt haben, keinesfalls ersetzen. Wir können aber von diesen Begegnungen mit den Menschen berichten. Das ist eine andere Form der Erinnerung, als die, wie sie in den letzten paar Jahrzehnten gelebt wurde. Es ist aber eine neue Art, die möglicherweise die nächsten Jahrzehnte prägen wird, bis sich die nächsten Generationen diese Frage erneut stellen müssen.
Vielen Dank, liebe Ksenia!