Eva Weyl erzählt ihre Geschichte in der Alexander-Lebenstein-Schule
Für mich schließt sich durch die regelmäßigen Begegnungen mit den Zeitzeug*innen ein Kreis in unserer Arbeit. Wir können ihnen davon berichten, dass wir ihre Geschichten in die Schulen weitertragen, wir können erzählen, wie die Kinder und Jugendlichen auf die Geschichten reagieren, welche Fragen sie stellen. Auch können wir den Zeitzeug*innen Briefe übergeben, die die Kinder und Jugendlichen an sie verfassen. Immer wieder merke ich an den Reaktionen der Zeitzeug*innen auf all das, dass sie erstaunt darüber sind, solche Briefe zu bekommen. So viele Reaktionen, die ihnen spiegeln, wie mutig es die Kinder und Jugendlichen finden, dass sie ihre Geschichte weitergeben, und wie schrecklich es ist, was ihnen in der NS-Zeit widerfahren ist.
Für viele Zeitzeug*innen, die wir treffen, ist vor allem wichtig und bewegend, zu sehen, dass die Kinder und Jugendlichen mitfühlen und sich durch sie angespornt sehen für eine Gesellschaft einzustehen, die so etwas nie wieder zulässt.
Am 12. März hatte ich die Gelegenheit, die wunderbare Eva Weyl wiederzusehen. Marina und ich sind Vertrauenspersonen von Eva Weyl. Jede*r Zeitzeug*in hat mindestens eine Person, mit der sie regelmäßig in Kontakt steht und mit der oft eine enge Freundschaft entsteht. Ich freue mich jedes Mal aufs Neue, Eva wiederzutreffen. Eva strahlt eine wahnsinnige Lebenslust und Stärke aus, ist witzig und neugierig auf das, was in der Welt und um sie herum passiert. Das finde ich sehr beeindruckend. Sie ist viel unterwegs, auf Vorträgen oder auf Reisen.
Dieses Mal hatte ich die Gelegenheit, endlich einmal Evas Geschichte „live“ zu hören. Bisher habe ich mich immer mit ihrem Interview auf Schulbesuche vorbereitet, bei denen ich ihre Geschichte als Zweitzeugin erzählt habe. Dieses Mal konnte ich ihr horchen, als sie zwei Jahrgangsstufen der Alexander-Lebenstein-Schule ihre Lebensgeschichte erzählte. Sie erzählte von ihrer Familie Weyl aus Kleve, erzählte, wie sie gemeinsam mit ihren Eltern das Durchgangslager Westerbork in den Niederlanden überlebte, erzählte aber auch, wie sie sich nach dem Krieg ein neues Leben aufbauen konnte, von ihren Söhnen und ihren „Big Five“, ihren Enkelkindern.
Eva hat eine wahnsinnige Ausstrahlung auf die Kinder und Jugendlichen und ich konnte beobachten, wie gespannt und berührt diese zuhörten und Fragen stellten. Der Tag war auch deswegen so besonders, weil Eva ihren Vortrag nicht wie sonst alleine hielt. Zu ihrem Vortrag kam auch Anke Winter. Diese beiden Frauen eint im Grunde ein gemeinsamer Teil ihrer Vergangenheit. Ankes Großvater war Albert Konrad Gemmeker, der Lagerkommandant des Durchgangslagers Westerbork, in das Eva als Kind deportiert wurde. Anke erzählte auf sehr intime und berührende Art und Weise davon, wie es für sie war, in der Gewissheit aufzuwachsen, dass ihr Großvater ein NS-Verbrecher war.
Sie erzählte davon, wie Eva und Anke sich durch Ankes Sohn kennenlernten, weil dieser eines Tages eine Schulexkursion zur Gedenkstätte Westerbork machte, wo Eva sich heute noch sehr engagiert. Für mich war das eine einmalige und sehr besondere Begegnung mit diesen beiden Frauen, die heute eine sehr besondere Freundschaft und Geschichte verbindet.
Der Lehrer Herr Seidel, der Eva schon sehr lange kennt und sie immer wieder in seine Schule einlädt, erzählte uns im Anschluss über das unermüdliche Engagement der Schule gegen das Vergessen des Holocausts und für die Erinnerung. So verabschiedete ich mich von Eva und Anke und bedankte mich für diese Möglichkeit, diese beiden mutigen Frauen erneut zu treffen!
Autorin: Ksenia Eroshina, Zweitzeugin von Eva Weyl
Kennenlernen, Erinnern, Weitergeben
Über Eva Weyl
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