Zeitzeugin Elisheva Lehman gestorben
Elishevas Geschichte
›Ellis‹ wurde als Elisheva Cohen-Paraira am 22. April 1924 in Amsterdam geboren und verbrachte ihre unbeschwerte Kindheit in Scheveningen, Niederlande. Mit ihrer Familie tauchte Ellis während der Verfolgung durch die Nationalsozialist*innen unter. Dabei mussten sie 13 mal ihre Verstecke wechseln, damit sie nicht entdeckt wurden.
Wie vor der unfreiwilligen Trennung verabredet, wartete Elisheva nach Kriegsende auf ihre Jugendliebe Bernie. Als Treffpunkt hatten sie die Parkbank, auf der sie sich zum ersten Mal geküsst hatten, ausgemacht – Bernie kam jedoch nicht. Er wurde 1944 im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau umgebracht. Im Jahr 1946 kam sie mit ihrem Ehemann Elmar Lehman nach Palästina und lebte bis zu ihrem Tod in Jerusalem.
Elisheva Lehman war eine der ersten Überlebenden, die wir interviewen durften. Im Folgenden erzählen vier Hauptamtliche und Ehrenamtliche des Vereins von ihren Begegnungen mit Elisheva.
Sarah erinnert sich
Ich war jedes Mal wieder beeindruckt, was für eine Kraft schenkende Person Elisheva war. Sie hat so eine positive Ausstrahlung gehabt. Damit meine ich nicht, dass sie immer gelacht hat, sondern sie hatte eine Leichtigkeit und optimistische Sicht auf das Leben – trotz ihres Traumas. Mir hat sie viel von ihrer Leichtigkeit geschenkt, so dass ich mit guter Laune, Kraft und Freude von Begegnungen mit ihr weggegangen bin. Das ist eine kostbare Eigenschaft in Menschen und lässt sich bei Elisheva auch auf andere Bereiche übertragen: Sie hat mit viel Wertschätzung über andere Menschen gesprochen, sie war dankbar für alles was sie hatte, auch wenn sie hätte verbittert sein können. Sie war ein zutiefst dankbarer Mensch, dankbar für die zwei großen Lieben die sie hatte. Das strahlte aus ihren Augen und in der Art wie sie Menschen begegnet ist. Sie sagte: »Ich möchte aus jedem Tag ein Fest machen.« Und das hat Elisheva gelebt, das fand ich beeindruckend. Sie hat ihr Leben im Moment mit Leichtigkeit gelebt. Elisheva war nicht dogmatisch, man konnte mit ihr leicht über alles reden – über Dinge, die überhaupt nicht leicht sind eigentlich, z.B. Geschichte, Politik, Religion.
Elisheva haben so viele Leute voller Wertschätzung geschrieben. Sie hat alle Kinder- und Schüler*innenbriefe von unserem Verein abgeheftet. Ihr ganzes Zimmer war voller Liebe, unter anderem gebastelten Sachen von Enkelkindern.
Ida erinnert sich
Ellis wird mir als herzliche und immer fröhliche Person in Erinnerung bleiben. Ich bin sehr dankbar, dass ich die Möglichkeit hatte, sie kennenzulernen. Ich habe immer sehr bewundert, wie lebensfroh Ellis geblieben ist, trotz des Verlustes ihrer ersten großen Liebe und der schlimmen Erlebnisse während der Verfolgung. Nach unserem letzten Besuch bei ihr in Israel bin ich stolze Besitzerin einer ihrer Strickpuppen, die sie selbst gemacht und uns geschenkt hat. »Jede Masche ist mit Liebe gestrickt.« Ich werde sie in Ehren halten.
Die Briefe der Kinder und Jugendlichen aus Deutschland haben ihr sehr viel bedeutet und sie hat sich jedes Mal wahnsinnig gefreut. »Ich halte etwas in Händen, was mit Geld nicht zu bezahlen ist«, hat sie einmal über die Briefe gesagt, die sie aus Deutschland erhalten hat. Ich bin sehr dankbar, dass ich Elisheva begegnen durfte.
Lea erinnert sich
Auch ich hatte das Glück, Elisheva 2017 während einer Israelreise mit den Zweitzeug*innen persönlich kennen zu lernen. Ihr offenes, freundliches Wesen, ihr verschmitztes, wissendes Lächeln, die funkelnden Augen und die unverkennbare Herzlichkeit, die sie ausstrahlte, wird uns immer in Erinnerung bleiben. Nicht lange bevor sie verstarb hatte ich ihr zum Jahresanfang 2021 noch eine Grußkarte mit einem Foto unseres damaligen Besuchs geschickt, welche sie noch erhalten haben muss. Ich bin mir sicher, sie hat sich sehr darüber gefreut.
Franzi erinnert sich
2019 habe ich Ellis in Jerusalem besuchen dürfen und ich bin bis heute unglaublich dankbar für diese Begegnung. Sie begrüßte uns so herzlich und freute sich sehr uns zu sehen. Da wir sie im Sommer besuchten, gingen wir schnell raus in den Garten, den sie so sehr liebte und in dem sie viele Pflanzen mit ihrem Mann Elmar zusammen angepflanzt hatte. Wir saßen dort, erzählten, lachten, lasen Schüler*innenbriefe und es war so, als würde ich Ellis schon länger kennen. Leider war dies die letzte Begegnung mit ihr. Aber sie schenkte uns an diesem Tag eine Strickpuppe, welche ich seitdem auf meinem Regal stehen habe. Und jedes mal, wenn ich sie sehe, muss ich lächeln, da ich an diese besondere Begegnung mit dieser lebensfrohen, starken und liebevollen Frau denken muss.
Danke liebe Ellis, dass Du uns an deinem Leben hast teilhaben lassen. Ich werde Dich nie vergessen und deine Geschichte weitertragen, so dass viele deine (Über)Lebensgeschichte hören und zu deine Zweitzeug*innen werden.