Zeitzeugin Henny Brenner gestorben
Die Zeitzeugin Henny Brenner aus Weiden in der Oberpfalz ist am 16.05.2020 im Alter von 95 Jahren gestorben. ZWEITZEUGEN e.V. durfte Henny Brenner im Sommer 2015 in ihrem Haus in Weiden in der Oberpfalz besuchen und interviewen, um ihre Geschichte zu dokumentieren und weitertragen zu können.
Henny Kitty Brenner (geb. Wolf) wurde 1924 in Dresden als Tochter eines protestantischen Vaters und einer jüdischen Mutter geboren. Gemäß der jüdischen Tradition war Henny dadurch auch Jüdin, auf Wunsch der Mutter wurde sie auch jüdisch erzogen. Henny Brenner verbrachte eine unbeschwerte und glückliche Kindheit. Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialist*innen und durch die eingeführten ›Nürnberger Rassengesetze‹ änderte sich ihr Leben schlagartig. Von den Nationalsozialist*innen als „Halbjüdin“ kategorisiert , hatte sie durch die sogenannte „Mischehe“ ihrer Eltern zwar einen gewissen Schutzstatus, doch die Familie wurde mehr und mehr zur Zielscheibe von Schikane und Ausgrenzung.
Ihr Vater hielt dennoch an der Ehe fest und stand bedingungslos zu seiner Familie. Dadurch verlor er sein Kino, die Familie musste aus dem eigenen Haus ausziehen, Henny die Schule verlassen. Hennys Jugend war geprägt von Todesängsten. Im Alter von 16 Jahren wurde Henny zur Zwangsarbeit für die Rüstungsindustrie verpflichtet. Am 13. Februar 1945 erhielten schließlich auch Henny und ihre Mutter einen Deportationsbescheid, datiert auf den 16. Februar. Die Familie war verzweifelt, doch in derselben Nacht begannen auch die alliierten Luftangriffe auf Dresden. Durch das nun in der Stadt vorherrschende Chaos konnten Henny und ihre Mutter der Deportation noch im letzten Moment entrinnen. Sie versteckten sich in einem leerstehenden Haus, bis sie von der russischen Armee am 08. Mai 1945 befreit wurden.
Die Familie entschied sich, in Deutschland zu bleiben und ein neues Leben zu beginnen. Doch 1952 galt es erneut, Koffer zu packen: Henny und ihre Eltern flohen aus der DDR nach Westberlin. Dort lernte Henny Hermann Brenner kennen, nach der Hochzeit zogen beide nach Weiden in der Oberpfalz in Bayern. Hermann Brenner gründete dort die jüdische Gemeinde und war über 40 Jahre lang deren Vorsitzende. Sie bekamen zwei Söhne und führten gemeinsam unter anderem ein Textilgeschäft, einen Buchladen und ein Antiquariat. Hermann Brenner starb 2004.
Auch im Nachkriegsdeutschland begegnete Henny immer wieder Antisemitismus. Sie entschied sich daher, obwohl es ihr nicht leicht fiel, nach der Wiedervereinigung häufig als Zeitzeugin an Schulen zu sprechen – gegen das Vergessen. Sie mahnte stets, sich als Gesellschaft Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung entgegen zu stellen und für Toleranz einzustehen. 2001 veröffentlichte sie ihre Autobiographie „Das Lied ist aus. Ein jüdisches Schicksal in Dresden“.
Marina: Im März 2016 durften Janika ich Henny Brenner kennenlernen. Wir hatten das Interview im Gepäck und es fehlten nur noch die Fotos für die Ausstellung und das Magazin. Ich war vorher wahnsinnig aufgeregt, weil es meine ersten Fotos für ZWEITZEUGEN e.V. werden sollten, doch Henny hat mir meine Aufregung schnell genommen. Als aller erstes sollten wir sowieso Kuchen essen und erstmal von uns erzählen. Henny war eine sehr aufmerksame und interessierte Frau. Sie hat uns viel von ihrer Familie und ihren Freunden erzählt und man merkte, wie stolz sie war. Ich bin dankbar, dass ich Henny Brenner treffen und fotografieren durfte. Diese Begegnung wird immer eine ganz besondere für mich bleiben, und ich werde ihre Geschichte immer weiter erzählen.
Janika: Ich durfte 2016 mit Marina zusammen Henny Brenner besuchen, um Fotos für ihr Magazin aufzunehmen. Sie begrüßte uns sehr herzlich bei sich zuhause und versorgte uns mit Getränken und süßen Stückchen. Henny Brenner war eine sehr zugewandte und gastfreundliche Frau. Ich war beeindruckt von ihrem Wissen, ihren vielen Büchern, ihrem schicken Kleidungsstil, ihrer Geduld und Offenheit. Ich habe Henny Brenner als sehr kluge und reflektierte Person kennenlernen dürfen, die sehr stolz war auf ihre Familie.
Als ich Henny Brenner und ihren Sohn Michael 2018 bei der Gedenkfeier zur Befreiung des KZ Flossenbürg wiedertraf, konnte ich ihr unseren Zwischenstand ihres Magazins präsentieren. Jede*r kannte Henny Brenner und wollte mit ihr reden, unter anderem der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Herr Dr. Schuster.
Mitautorin des Artikels: Julia Gerecke