Wie erzähle ich eine (Über) Lebensgeschichte?
Ziel des Workshops war es für die neuen Ehrenamtlichen sich gegenseitig, den Verein und die Bildungsarbeit kennenzulernen. Sie haben erste Techniken zum Erzählen von Überlebensgeschichten gelernt. Nach den beiden Workshops durchlaufen die Multiplikator*innen verschiedene Teamteachings mit erfahrenen Multiplikator*innen, bis sie dann fertig ausgebildet selber ZWEITZEUGEN-Bildungsprojekte in ganz Deutschland durchführen können.
Acht Multiplikator*innen und die drei Schulungsleiter*innen Ksenia, Vanessa und Christine starteten mit einer Vorstellungsrunde. Die Teilnehmer*innen, die aus ganz Deutschland angereist kamen, lernten sich kennen und bekamen erste Einblicke in spielerische und didaktische Methoden für den Schulunterricht. Anschließend leitete Vanessa mit einem ausführlichen Einblick in die Geschichte und die Herausforderungen der Wissensvermittlung über den Holocaust in das Thema der Veranstaltung ein. Wir »Neuen« bekamen einen Überblick über die Entwicklung von Begrifflichkeiten, Aufarbeitung und Vermittlung der Holocaustforschung in verschiedenen kulturellen Kontexten. Zudem lernten wir die komplexe Bedeutung der Zweitzeug*innenschaft und die Chancen, die mit der Multiplikator*innen-Ausbildung für die Durchführung der Bildungsprojekte einhergehen, kennen.
Auf die theoretische Grundlage folgten praktische Fragen:
- Wie vermittelt man überhaupt eine Überlebensgeschichte im Unterricht?
- Worauf muss man achten?
- Welche Lerngruppen haben welche Bedürfnisse?
- Und welche Tücken gilt es beim Erzählen zu vermeiden?
Zusammen in der Gruppe konnten sowohl einige Unsicherheiten aus der Welt geschaffen als auch eigene Gedanken, Chancen und Strategien ausgetauscht und verbessert werden.
Dabei erwiesen sich immer wieder die verschiedenen individuellen Werdegänge und Expertisen und Kenntnisse der verschiedenen Teilnehmer*innen, besonders im pädagogischen Bereich, als nützliche Erfahrungswerte bei der Suche nach Lösungen und Ideen im Umgang mit verschiedenen Problembereichen der Bildungsarbeit mit Kindern und Jugendlichen ab der vierten Jahrgangsstufe und aufwärts.
»Wie kann man die (Über-)Lebensgeschichten Schüler*innen vermitteln, die sich bis dahin vielleicht noch nie mit dem Holocaust beschäftigt haben? Als ich bei einem Schulprojekt hospitieren durfte, war ich beeindruckt: Die Schüler*innen erkannten von ganz allein, wie wichtig eine tolerante Gesellschaft ist und haben wundervolle Briefe an die Zeitzeug*innen geschrieben. Danach habe ich mich dann sofort zur Multiplikator*innen-Ausbildung angemeldet.«
Nach einer gemeinsamen, herzlichen und offenen Mittagspause ging es motiviert weiter. Wir durften uns selbst am Vermitteln einer Lebensgeschichte versuchen. Aus den ZWEITZEUGEN-Interviewtexten und Schüler*innenheften wurden in Gruppen die verschiedenen Stationen der (Über)Lebensgeschichten unserer Zeitzeug*innen erarbeitet und für das Erzählen strukturiert, um eine gelungene Erzählung am nächsten Tag vorzubereiten. Dabei stellte sich besonders die Menge an Material häufig als wahre Herausforderung dar. Das jeweilige Interview muss zuerst sorgfältig und aufmerksam gelesen werden, um im zweiten Schritt in eine sinnvolle und verständliche Erzählung für Bildungsprojekte »verwandelt« zu werden, die der Erzählung der*des Zeitzeug*in gerecht wird.
Wir merkten, dass es eine große Herausforderung und Verantwortung ist, persönliche Erinnerungen von Menschen so weiterzugeben, dass sie andere berühren können. Nachdem wir alle zum ersten Mal im Team eine (Über)Lebensgeschichte erzählt hatten, waren die Unsicherheiten und Sorgen jedoch kleiner.
So bot sich nicht nur die Chance, eigene Erfahrungen im Erzählen von (Über)Lebensgeschichten zu sammeln und Sicherheit darin zu gewinnen, sondern auch sich mit dem Vorgehen, der Strukturierung und dem Erzählstil der anderen Multiplikator*innen vertraut zu machen und weitere Lebensgeschichten kennenzulernen.
»Als Multiplikator*in kann ich dafür Sorge tragen, dass die Geschichte der Zeitzeug*innen weiter getragen wird. Wir alle sind als Zweitzeug*innen Teil davon und es liegt auch an uns, wie sie weitergeht. Beim Verein hatte ich sofort das Gefühl, dass alle mit Liebe dabei sind und ihnen wichtig ist, was sie tun.«
Die abschließende Feedbackrunde bot allen Teilnehmer*innen die Möglichkeit, die Erfahrungen und das Gelernte der letzten beiden Tage zu reflektieren und sowohl offen gebliebene Fragen, als auch gefundene Antworten mit den anderen zu teilen und Ideen für das nächste Treffen anzustoßen.
Ohne die Unterstützung des VielRespektZentrums in Essen, welches uns kostenlos Verpflegung, Räumlichkeiten und Schlafplätze zur Verfügung gestellt hat, wäre dieses produktive Wochenende nicht zustande gekommen. Vielen Dank!
Joséphine Bütefür (Multiplikatorin in Ausbildung im ZWEITZEUGEN-Bildungsteam)