Gerda Rosenthal

Gerda Rosenthal ist zu uns herangetreten, nachdem wir unsere Arbeit in der Budge-Stiftung vorgestellt haben. Ich war sofort sehr aufgeregt, weil es mein erstes Interview werden sollte und regelrecht begeistert, als ich erfuhr, dass sie aus Remscheid stammte. Ich bin nämlich Wuppertalerin und Remscheid liegt direkt nebenan.

Kurzbiografie

Gerda Rosenthal wurde 1917 als zweites Kind polnischer Einwanderer in Remscheid geboren. Der Vater besaß dort ein Schuhgeschäft. Mitte der 30er Jahre gelang ihr als Einzige in der Familie mit Hilfe der Organisation ›Kinder- und Jugend-Alijah‹ die Ausreise nach Jerusalem, wo sie in einem Heim der Organisation unterkam. In Israel  arbeitete sie später als Kindermädchen. Ende der 30er Jahre kehrte sie noch einmal mit einem Visum mit einjähriger Laufzeit nach Deutschland zurück, um ihre Eltern zu besuchen. Diese wurden später von den Nationalsozialisten ermordet. Ihr vier Jahre älterer Bruder aber überlebte den Krieg und emigrierte später ebenfalls nach Israel. In Jerusalem lernte Gerda Rosenthal ihren Mann kennen, mit dem sie zwei Kinder hat. Ihr Sohn verstarb in jungen Jahren. Ihre Tochter lebt heute in Amerika, wohin die Familie später auswanderte. Gerda Rosenthal lebte bis zu ihrem Tod in der Henry-und-Emma-Budge-Stiftung in Frankfurt am Main.

Gerda Rosenthal ist im November 2019 mit 102 Jahren verstorben. Lies hier ihren Nachruf.

Ein Bild zum Weiterleben

Besonders stolz zeigte Gerda uns ein Bild ihrer Familie, welches in dem Buch ihrer Tochter erschienen ist. Gerda hat während unseres Treffens sehr viel von ihrem Mann und ihren Kindern erzählt und man merkte ihr an, dass ihr Familie sehr wichtig für sie ist. Besonders in der Zeit nach dem Krieg, haben sie ihr sehr viel Kraft gegeben, so dass sie ein neues Leben beginnen konnte.

Unsere Begegnung

Gerda Rosenthal hatte eine kleine Wohnung in der Budge-Stiftung, einem jüdisch-christlichen Seniorenheim in Frankfurt. In dem Moment, in dem wir ihre Wohnung betreten haben, haben wir fast schon vergessen, dass wir in einem Seniorenheim waren. Im Inneren sah es aus wie bei Oma zu Hause: Perserteppiche, Spitzendeckchen und viele, viele Bilderrahmen. Ich war von Anfang an davon begeistert, wie sehr ich mich mit der jungen Gerda identifizieren konnte. Wie sie zusammen mit ihrer Cousine nach Elberfeld trampte, um das aufregende Stadtleben zu genießen. Wie sie im Alter von nur 17 Jahren alleine nach Palästina ausgewandert ist, in dem gleichen Alter in dem ich zum ersten Mal für längere Zeit ins Ausland gegangen bin. Gerade weil ich mich selbst so gut mit Gerda Rosenthal identifizieren konnte, war ich umso stärker betroffen, wie sehr ihre Demenz fortgeschritten war. Nach nur kurzer Zeit fingen wir an, uns in den Erzählungen im Kreis zu drehen – einer nicht enden wollenden Schleife, aus der es kein Entrinnen gab. Am Ende des Interviews war ich gefangen in einem Labyrinth aus Geschichten, die nicht ganz zusammen passen wollten, es wohl auch nie wieder tun werden. Doch auch wenn uns inzwischen das ganze Bild abhanden gekommen ist, erzählte doch das Mosaik seine ganz eigene Geschichte. Und auch diese Geschichte ist es wert, gehört, erinnert und weitergegeben zu werden.

»neuneinhalb« berichtet über Gerdas Lebensgeschichte

Zum Gedenktag für die Opfer des Holocaust besuchte das Reportermagazin »neuneinhalb« des WDR im Dezember 2023 einen ZWEITZEUGEN-Workshop und erklärt, warum die (Über)Lebensgeschichten wie die von Gerda, nicht vergessen dürfen.

Mehr erfahren

Kennenlernen, Erinnern, Weitergeben

Gerda Rosenthals ganze Geschichte für Zuhause

Das ganze Interview und alles zum Leben von Gerda Rosenthal wird bald als Interview-Magazin veröffentlicht. Aktuell arbeiten wir noch daran. Wir freuen uns sehr, wenn Du uns mit einer Spende unterstützt, damit wir das Magazin bald drucken können:

Zur Spende für die Interview-Magazine