Ein Jahr seit dem 7. Oktober

Für Israelis und Juden*Jüdinnen in aller Welt war der Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 eine Zäsur. Die Folgen des Hamas-Terrors halten bis heute an. Das Leid, das wir in Israel und Gaza sehen, ist schwer zu ertragen. Wir hoffen, dass alle noch lebenden Geiseln endlich unversehrt nach Hause zurückkehren können und der Krieg ein Ende findet. Wir hoffen auch auf ein Ende der humanitären Krise der palästinensischen Zivilbevölkerung in Gaza.
 

Wir unterstützen die demokratische Zivilgesellschaft in Israel durch unsere Mitgliedschaft im neu gegründeten Netzwerk Israel. Das Netzwerk unterstützt die Menschen in Israel dabei, die Folgen der Terroranschläge vom 7. Oktober und des andauernden Krieges zu bewältigen und in Frieden und Gleichberechtigung zusammenzuleben. Wir werden nicht hinnehmen, dass durch die erneute Eskalation im Nahen Osten antisemitische Narrative, Hass und Gewalt in Deutschland weiter um sich greifen. In Deutschland wird nun teilweise verallgemeinernd und rassistisch über Muslim*innen und Menschen arabischer Herkunft gesprochen, indem ihnen pauschal Antisemitismus unterstellt wird. Auch dagegen stellen wir uns!

Für unseren Verein waren und sind die Reaktionen in der deutschen Gesellschaft auf den Hamas-Terror und seine Folgen, insbesondere der stark gestiegene Antisemitismus, in unserer Arbeit spürbar. Umso mehr nehmen wir dies zum Anlass, mit jungen Menschen darüber zu sprechen, was wir aus dem Holocaust und den Erfahrungen der Überlebenden lernen können und müssen!

Wir möchten hier aufzeigen, was sich seitdem in unserer Bildungsarbeit verändert hat und was es mit dem Netzwerk Israel auf sich hat.

Auswirkungen auf unsere Bildungsarbeit

Unsere Bereichsleitungen im Team Bildung berichten

Der Terrorangriff der Hamas am 7.10.2023 und die darauffolgenden Ereignisse wie der Israel-Gaza-Krieg haben Auswirkungen auf unsere Bildungsarbeit. Zunächst lässt sich sagen, dass die Nachfrage nach ZWEITZEUGEN-Bildungsangeboten gleichbleibend hoch ist. Gleichzeitig erreichen uns gehäuft Anfragen für Workshops nach rassistischen und/oder antisemitischen Vorfällen. In den ersten Wochen nach dem 7. Oktober wurden geplante Workshops jedoch seitens der Schule auch abgesagt, da ihre Einschätzung war, dass die Schüler*innen gerade keine Offenheit zu dem Thema haben und sich nicht darauf einlassen können. Das entspricht auch unseren Erfahrungen mit vereinzelten Teilnehmenden in Workshops, die sich jeglicher Auseinandersetzung mit dem Holocaust und seinen Folgen versperren, da sie eine teilweise auch antisemitische Verknüpfung zwischen den Zeitzeug*innen und dem aktuellen Israel-Gaza-Krieg ziehen. Immer mal wieder erreichen uns zudem Anfragen, die sich im Speziellen eine Einbindung der Folgen des 7. Oktober, aber auch Hintergrundwissen zum Israel-Palästina-Konflikt und den Nahostkonflikten wünschten.

In den ZWEITZEUGEN-Workshops mit Kindern und Jugendlichen beobachten wir eine zunehmende Verbreitung von Fehlinformationen und einseitigen Narrativen. Jugendliche übernehmen (antisemitische) Fake News und Verschwörungserzählungen ebenso wie antisemitische Codes. Als Quelle geben sie, neben ihren Peers, Eltern und Medien, insbesondere Soziale Medien – vor allem Instagram und Tik Tok – an. Diese verbreiteten Fehlinformationen führen dazu, dass sich Teilnehmende teilweise schwer auf die Thematik einlassen können – sie fühlen sich einem starken Positionierungsdruck ausgesetzt (»Bin ich Pro-Israel oder Pro-Palästina?«), der scheinbar keine Differenzierung oder Mitgefühl für mehrere Seiten zulässt. Außerdem fehlt ihnen Hintergrundwissen zum Konflikt.

Dennoch hat ein Großteil der Teilnehmenden nach wie vor großes Interesse an unseren persönlichen Lebensgeschichten der Zeitzeug*innen, die häufig einen engen Bezug zu Israel haben. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich die Mehrheit der Teilnehmenden trotz zunehmender Polarisierung und teilweise gesellschaftlicher Eskalation in Bezug auf den 7. Oktober und seine Folgen auf unsere Workshops einlässt und sowohl mitfühlen kann, als auch aktiv gegen Antisemitismus werden will.

Eine weitere Herausforderung liegt in der wachsenden Verunsicherung von Lehrkräften und begleitenden Pädagog*innen bei der Bearbeitung der Themen Antisemitismus, Rassismus und Islamismus. Neben einer verstärkten Sensibilisierung für diese Themen bei Lehrer*innen, nehmen wir auch eine Zunahme von antimuslimischen Rassismus wahr, der oft mit einer Auslagerung des Antisemitismus auf »die Anderen« einhergeht.

Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, binden wir die Lehrkräfte und Pädagog*innen soweit möglich stärker in unsere Arbeit ein und achten auf Wunsch auf eine engmaschigere Begleitung in der Vor- und Nachbereitung. Für Pädagog*innen und Interessierte ergänzen wir auf unserer Webseite laufend eine Linksammlung zu Angeboten rund um die Themen Nahostkonflikt(e) und den Israel-Gaza-Krieg.

Auch die Begleitung unserer haupt- und ehrenamtlichen Workshopleiter*innen erfordert seit dem 7. Oktober 2023 und durch gesamtgesellschaftlich gestiegenen Antisemitismus, Rassismus, Rechtsextremismus und Islamismus angepasste Maßnahmen. Für die Stärkung der Workshopleitenden im Umgang mit einer Konfrontation in einem Workshop setzen wir auf Fortbildungen sowie kollegiale Fallberatungen und die breite Expertise im gesamten Team. Weiterhin nehmen wir Beratungs- und Fortbildungsangebote intensiv wahr, um auf herausfordernde Situationen in den Workshops vorbereitet zu sein. Mit dem Verein BildungsBausteine e.V. aus Berlin haben wir beispielsweise Methoden erarbeitet, die in unseren Workshops speziell für den Umgang mit dem Nahostkonflikt und Israel/Palästina angewandt werden können. Sie wirken deeskalierend und schaffen wichtige Gesprächsräume, in denen über die Überforderungen, Ängste und die eigene Betroffenheit in Bezug auf den Nahostkonflikt gesprochen werden kann. Sie helfen nicht zuletzt zu den eigentlichen Inhalten des Workshops, den Geschichten der Holocaust-Überlebenden und was wir daraus lernen können, zurückzufinden.

Die gesamtgesellschaftlich zunehmenden antisemitischen Vorfälle und die wachsende Unsicherheit bei öffentlichen Veranstaltungen haben uns im gesamten Verein und insbesondere in unserer Bildungsarbeit dazu veranlasst stärkere Schutzkonzepte zu entwickeln und die inhaltliche Ausrichtung unserer Arbeit intensiver auf antisemitismuskritische Aspekte und Kriterien zu prüfen und weiterzuentwickeln. Gleichzeitig bewegen wir uns mit unserer Arbeit im (vermeintlichen) Spannungsfeld antisemitismus- und rassismuskritischer Bildungsarbeit und arbeiten diskriminierungssensibel. Dazu bilden wir uns beispielsweise zu erinnerungskulturellen Ansätzen weiter, die Kolonialismus und Holocaust thematisieren.

Außerdem vernetzen wir uns verstärkt mit anderen Akteur*innen der historisch-politischen und antisemitismuskritischen Bildungsarbeit, etwa in der Taskforce ›Education on Antisemitism‹ des American Jewish Comittee, dem ASF-Landesbeauftragten Uriel Kashi in Israel, dem Verein Amcha, dem Jüdischen Museum Westfalen oder auch der bundesweiten Melde- und Beratungsstelle bei Antisemitismus RIAS, SABRA; Zusammen1, dem Bildungsprojekt von Makkabi Deutschland und erarbeiten neue gemeinsame Konzepte und Veranstaltungsformate oder tauschen uns zu ähnlichen Herausforderungen seit dem 7. Oktober aus.

Wir stellen uns in unseren Workshops klar gegen Antisemitismus, Rassismus und Menschenfeindlichkeit und nehmen die zunehmende Verhärtung und Radikalisierung im Diskurs umso mehr zum Anlass, mit jungen Menschen darüber zu sprechen, was wir aus dem Holocaust und den Erfahrungen der Überlebenden lernen können und müssen!

Solidarität mit der demokratischen Zivilgesellschaft in Israel

Auch zwölf Monate nach den Terroranschlägen vom 7. Oktober 2023 brauchen die Menschen in Israel Unterstützung. Genau dafür setzt sich das Netzwerk Israel ein. Es ist eine Plattform für alle, die die Menschen in Israel dabei unterstützen wollen, die Folgen der Terroranschläge vom 7. Oktober 2023 und des andauernden Krieges zu bewältigen und in Frieden und Gleichberechtigung zusammenzuleben. Dabei stellt die Plattform sicher, dass 100% der Spenden direkt den Projekten in Israel zugutekommen. Du möchtest auch einen Beitrag leisten? Hier gehts zur Spendenseite ❤️

Das Netzwerk sammelt hier Veranstaltungen in ganz Deutschland, die rund um den ersten Jahrestag den Opfern der Anschläge gedenken, an das Schicksal der ca. 100 Geiseln aufmerksam machen und sich gegen Antisemitismus und Hass positionieren.

Das Netzwerk wurde auf Initiative der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) gegründet. Die operative Umsetzung liegt beim New Israel Fund (NIF) Deutschland e.V.. Zu den Netzwerk-Trägerorganisationen zählen Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e.V., Alfred Landecker Foundation, AMCHA Deutschland und die Stiftung Deutsch-Israelisches Zukunftsforum (DIZF).

Weitere Informationen und Links

  • Stimmen von Zeitzeug*innen

    Wie blicken Holocaust-Überlebende, deren Geschichten wir weitertragen, auf den 7.10. und seine Folgen?

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  • Pädagogische Angebote über den aktuellen Krieg und den Nahost-Konflikt

    Eine Übersicht pädagogischer Angebote, die dabei helfen können, Gespräche mit Kindern und Jugendlichen über den aktuellen Krieg und den Nahost-Konflikt im Allgemeinen zu führen.

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  • Unser Wirkungsbericht 2023

    Mit Statements von Zeitzeug*innen und Kindern von Überlebenden.

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