Das ZWEITZEUGEN-Jahr 2015
Leider führen aktuell unsere Gedanken unweigerlich zu der Frage, ob die Menschheit überhaupt aus Geschichte lernt. Wieder stoßen Menschen, die anders aussehen, glauben oder sprechen, in Deutschland teilweise auf Hass, Gewalt und Ablehnung. Umso mehr möchten wir durch unsere Arbeit dazu beitragen, dass in Schulen und darüber hinaus Diskriminierung und Rassismus thematisiert und etwas dagegen getan wird.
Das ist unser Beitrag für eine offene, tolerante Gesellschaft.
Wie genau das im letzten Jahr aussah?
- 2015 haben wir 31 Klassen in 10 Schulen besucht und 27 Klassen durch unsere Ausstellung geführt.
- So konnten wir 1.600 Schüler*innen zu Zweitzeug*innen machen.
- Wir haben drei neue Zeitzeug*inneninterviews geführt und arbeiten momentan acht Interviews auf.
- Unsere Ausstellung in Dortmund war mit 21 Wochen unsere bisher längste und aktivste: Wir konnten anschließend allein durch die Ausstellung 300 Briefe versenden.
- Ein zweiseitiger Artikel in der ZEIT und ein Auftritt bei Markus Lanz hat uns nicht nur deutschlandweit bekannt gemacht,
- sondern auch 20 neue Ehrenämtler*innen zu uns geführt.
- Wir wurden mit zwei Preisen ausgezeichnet und haben drei Beratungsstipendien bekommen.
Ganz ehrlich: Wir blicken schon etwas stolz zurück. Vor allem aber sind wir dankbar für all das, was wir dank unserer Freund*innen, Unterstützer*innen und nicht zuletzt der Zeitzeug*innen erleben durften.
Wir freuen uns sehr, dass so viele Menschen uns begleiten und unterstützen. Danke.
J A N U A R: Die ZEIT und Markus Lanz
Im Januar waren wir mit einem zweiseitigen Artikel in der ZEIT: Wir haben mit ZEIT-Redakteur Rudolf Novotny über Erinnerungskultur, die Arbeit mit Kindern zum Thema der Schoah und unsere Verantwortung gesprochen.
Außerdem waren wir im Januar bei Markus Lanz im ZDF zu Gast! Sarah hat über unsere Arbeit und unsere Erfahrungen berichtet. Die Überlebende Erna de Vries, die wir für ZWEITZEUGEN interviewt haben, war ebenfalls zu Gast.
Diese Chancen haben uns deutschlandweit bekannt gemacht und uns viele neue Ehrenamtliche und interessante Anrufe beschert.
F E B R U A R: Ausstellung
Von Februar bis Juni hatten wir unsere bis dato längste Ausstellung in der Steinwache in Dortmund.
27 Schulklassen besuchten uns, schrieben 300 Briefe an die Überlebenden und wurden so zu neuen Zweitzeug*innen.
Ein voller Erfolg!
M Ä R Z: Ein Film und eine Feier
Im März durften wir Teil der Projektwoche des Immanuel-Kant-Gymnasiums sein – Thema: »Wie wollen wir zusammen leben?«. An zwei Projekttagen entstand ein Anti-Rassismus-Video sowie eine selbst gestaltete Ausstellung, durch die die Schüler*innen führten. Wir sind immer noch stolz und ganz begeistert von dem eindrücklichen und sehr bewegenden Ergebnis.
Ebenfalls im März war der 90. Geburtstag von Rolf Abrahamsohn. Er hat uns hinterher verraten, dass unser Geschenk (ein großer Stapel Briefe) eines der besten war. Wir wünschen ihm für das nächste Jahr alles Gute und vor allem noch viele schöne, aufmunternde und wertschätzende Worte.
A P R I L: Preis für ZWEITZEUGEN e.V.
Im April haben wir den Hanns-Lilje-Stiftungspreis bekommen! Wir waren begeistert von vielen tollen Menschen, die die Hanns Lilje Stiftung zusammen gebracht hat. Unter dem gemeinsamen Oberthema die bildende Kraft von Kunst und Kultur wurde diskutiert, musiziert und geehrt.
M A I: Israel und Interview
Endlich und zum Ersten mal seit Beginn unseres Projekts haben wir die Menschen besucht, die Beginn und Inspiration von HEIMATSUCHER sind. Katrin und Sarah sind im Mai mit über 200 Briefen im Gepäck nach Israel gereist und haben Ellis, Shoshana, Tibi, Chava, Frieda und Israel wiedergetroffen. Ellis haben wir eine Illustration ihrer Geschichte geschenkt: »Das ist das schönste Geschenk, das ich je bekommen habe – meine Geschichte in solch wunderbare Bilder.«
Falls Ihr sehen wollt, wie die Überlebenden sich über die Kinderbriefe gefreut haben, klickt hier.
Außerdem haben wir noch der Zeitzeugin Henny Brenner interviewt und auf dem Ehrenamtswochenende wurden die Schulmaterialen überarbeitet.
J U N I: Ein Preis, eine Tagung und ein Fest
NRW-Innenminister Ralf Jäger überreichte uns den Preis ›Aktiv für Demokratie und Toleranz 2014‹. Er betonte die Bedeutung von Zweitzeug*innen und motivierte uns, diesen Weg weiter zu gehen. Das konnten wir ohne Zögern versprechen.
Im Juni waren wir dann auch direkt auf der Tagung ›Aktives Erinnern‹ zur Partizipation von Jugendlichen. In unserem Workshop haben wir für unsere Arbeit begeistert und Kontakt zu Stiftungen, Politikern, dem Anne-Frank-Haus in Berlin und zur Bundes- und Landeszentrale für politische Bildung geknüpft.
Mit dem Stadtteilfest in Dortmund Hörde haben wir den Monat beendet. Der BVB-Fanclub ›Herzblut Schwarzgelb‹ hatte dort einen Spenden- und Informationsstand, dessen Erlöse zur Hälfte an unseren Verein gingen. Danke für diesen tollen Tag!
J U L I: Praktikantinnen bei ZWEITZEUGEN e.V.
Im Juli ging unsere Ausstellung in der Dortmunder Steinwache zu Ende. Wir sind sehr dankbar für die Zeit dort, die wir vor allem mit Begegnungen und Gesprächen füllen konnten.
Eine Neuheit bei uns: Zum ersten Mal hatten wir diesen Sommer zwei Praktikantinnen. Marina und Janika haben Leben in unser Büro, Zeitzeug*innen zum Lachen und viel Post auf den Weg gebracht.
A U G U S T: Post und Bildungsreise
Wir haben keine Sommerpause gemacht, sondern Post für die Überlebenden abgeschickt, sind mit Studierenden der HS Niederrhein in Kooperation mit dem LAKUM Krefeld nach Auschwitz gefahren und haben unseren Newsletter zum ersten Mal auf den Weg gebracht.
Im August haben wir unseren Freund Karl-Heinz Lietz, Carlo, verloren. Noch Ende Juni ist Carlo 90 Jahre alt geworden und wir waren dabei, als mit Akkordeon und ›Bella Ciao‹ gefeiert wurde. Es war eine wirklich fetzige Sause! Und Carlo stellte am Ende vergnügt fest, dass dies einer seiner besten Geburtstage war.
Seit dem 3. August 2015 ist Carlo Lietz nicht mehr bei uns. Wir durften diesen wunderbaren Menschen kennenlernen und sind glücklich über die gemeinsame Zeit, die wir mit Carlo hatten.
S E P T E M B E R: Zeitzeuginnengespräch und Weiterbildung
Dank der Studierenden des Service-Learning-Projektes der Universität zu Köln hatten wir im September ein Zeitzeuginnengespräch mit Tamar Dreifuss im Café Fleur in Köln.
Ida war mit Verena, einer weiteren Ehrenamtlichen, im September in Berlin beim onlinehelden campus von betterplace.org zu den Themen Online Fundraising, Social Media und vor allem: Kampagnen.
O K T O B E R: Beratungsstipendien
Der Monat Oktober stand für uns ganz im Zeichen der drei Beratungsstipendien, die wir gewonnen haben. Dank dem Stipendium von Startsocial helfen uns zwei Coaches von der Deutschen Bank und McKinsey dabei, einen soliden Finanzplan zu entwickeln und unsere Strukturen zu verbessern. Was für eine Chance!
Das Stipendium der Teilhabe Wirkungsschmiede des Programms Engagement mit Perspektive von Ashoka unterstützt uns, unsere Wirkung zu verbessern. Dahinter stecken Geschäftspläne, Wirkungsketten und Mentoring. Viel zu tun… wir freuen uns darauf.
N O V E M B E R: Erinnern mit Schüler*innen
Der November ist aufgrund der Erinnerung an den 9./10. November 1938 immer ein Monat voller Schulprojekte und Gedenkveranstaltungen. Dieses Jahr haben wir am 09.11. in Dortmund bei dem Gedenken an diese Nacht mitgewirkt und waren unter anderem in Weichs, Bayern und Datteln, NRW. Die engagierten Schüler*innen der fünf besuchten Schulen kennen die HEIMATSUCHER-Geschichten nun persönlich, tragen sie weiter und verhindern so das Vergessen.
D E Z E M B E R: Kampagne, Filmpremiere und Weihnachtsfeier
Neben dem Start unserer Weihnachtskampagne #Mitgliederwichteln hat unser erster eigener Film ›Auf gute Nachbarschaft‹ Premiere gefeiert. Wir sind stolz und dankbar, dass Herr Pluznik und Herr Lietz uns in ihre Leben gelassen haben.
Bei unserer Weihnachtsfeier für die Ehrenamtlichen wurde zwischen all dem Spaß und leckeren Essen vor allem deutlich, dass jede*r in unserem Team glücklich ist, sich für die Ziele des Vereins zu engagieren.