In Erinnerung an Micha Schliesser
Micha Schließer, Jahrgang 1938, war ein sehr fröhlicher und offener Mensch und wir werden ihn und seine Art sehr vermissen. Wir von ZWEITZEUGEN e.V. sind sehr dankbar, dass Micha Schliesser uns sein Vertrauen gegeben und seine Lebensgeschichte mit uns geteilt hat.
Hier einige Worte von Michelle und Ida, die Micha Schliesser persönlich kennen lernen durften.
Worte der Dankbarkeit von Ida
Im Oktober 2015 durfte ich mit Micha Schliesser mein erstes Interview für ZWEITZEUGEN e.V. führen. Ich war deswegen sehr aufgeregt, allerdings habe ich schnell gemerkt, dass die ruhige und gelassene Art von Micha überhaupt keinen Anlass zur Aufregung bot. Eva Weyl hatte uns im Vorfeld schon von seiner Leidenschaft für Käsekuchen berichtet. Dies nahm ich zum Anlass den ersten Käsekuchen meines Lebens zu backen, der auch erstaunlich gut ankam.
Micha Schliesser verbrachte seine Kindheit im Durchgangslager Westerbork in den Niederlanden und war bis zu seiner Befreiung von den Kanadiern im April 1945 völlig unwissend, wie die Welt außerhalb des Lagers aussah. Bereits im Alter von knapp zwei Jahren kam er mit seiner Familie nach Westerbork. An seine Kindheit vor dem Lagerleben kann er sich nicht erinnern. Für mich ist es immer noch unvorstellbar, der typischen Freiheiten, die man als Kind hat, beraubt zu werden. Ganz besonders im Gedächtnis geblieben ist mir Michas Erzählung, dass er bei der Befreiung im Alter von sechs Jahren das erste Mal in seinem Leben Schokolade bekam. Geschenkt hatte ihm die Tafel ein kanadischer Soldat, doch Micha wusste nicht, was er damit tun sollte, bis ihm seine Mutter erzählte, dass man Schokolade essen könne.
Sein Wunsch an unsere Generation, demütig zu sein für das, was wir haben, habe ich mich sehr zu Herzen genommen. Trotz seiner Erfahrungen, die er schon so früh als Kind machen musste, hat er den Optimismus und seinen Humor nicht verloren. Er war immer für freche Sprüche und Scherze bereit und hat unsere Gruppe sehr zum Lachen gebracht. Ich bin sehr stolz, dass mir Micha seine Geschichte anvertraut hat und uns die Verantwortung übertragen hat, dass sie nicht vergessen wird.
In tiefer Dankbarkeit, Ida
Worte der Dankbarkeit von Michelle
Als ich grade die Aufgabe der Vertrauensperson übernommen habe, hat sich schnell ein erstes Treffen angeboten. Wir haben uns sehr spontan für den übernächsten Tag verabredet. Wir trafen und am Damplatz in einem kleinen Café im November. Wir saßen im strömendem Regen unter einem großen Sonnenschirm draußen. Geplant war ein kurzes Treffen bei einem Kaffee. Wir haben uns direkt sehr gut verstanden und total die Zeit vergessen. Wir verbrachten 2 Stunden dort bei 3°C. Dort hörte ich zum ersten Mal seine Geschichte. Ich hatte mich im Vorfeld über seine Geschichte informiert, dennoch ist es ein ganz anderes Gefühl sie von jemanden zu hören, der es selbst erlebt hat, anstatt sie nur als geschriebenes Wort zu lesen.
Ich erinnere mich immer wieder gerne an diesen Tag zurück. Micha Schließer war ein fröhlicher Mann. Er liebte besonders gerne Käsekuchen. Als sie in dem Café leider keinen Käsekuchen mehr hatten, sondern nur Apfelkuchen, verlangte er wenigstens besonders viel Schlagsahne dazu. Am Ende unseres Treffens machte Micha schon Pläne, wo wir uns das nächste Mal treffen, wenn ich wieder zu Besuch komme. Er wollte sich an einem seiner Lieblingsplätze mit mir treffen. Denn nicht weit von dem Café gab es ein Hotel mit einer wunderschönen Dachterrasse und einem Pool. Dort sei er gerne, wenn das Wetter wärmer sei.
m Februar wurden wir informiert, dass Micha an Krebs erkrankt ist, und man nicht mehr viel dagegen machen kann. Er schrieb aber, dass er damit Frieden geschlossen hatte und es für ihn ok ist.
Anja, Ida und ich haben uns darauf hin zusammengetan und einen Brief an ihn geschrieben, in dem jeder von uns ihm erzählte, was wir an ihm schätzen, und an was wir uns am liebsten erinnern. Und vor allem, dass er und seine Geschichte uns alle drei sehr im Herzen berührt hat. Wie wir jedoch diese Woche erfahren haben kam der Brief leider bei ihm nicht mehr rechtzeitig an. Er verstarb in der Nacht vom 20. Auf dem 21. Februar. Am 21. Februar war schon die Beisetzung an der wir leider nicht teilnehmen konnten.
Micha Schließer ging regelmäßig in Schulen um seine Geschichte weiter zu tragen. Und auch uns liegt es am Herzen dies zu tun. Wir werden seine Geschichte weitererzählen.
Die Erinnerung an ihn wird in unseren Herzen bleiben, Michelle
Kennenlernen, Erinnern, Weitergeben
Über Micha Schliesser
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